15 Jahre IG: Stimmen aus Politik, Gewerkschaft und den Rektoraten zur Hochschulpolitik

In der hochschulpolitischen Diskussion wird vornehmlich über Schlagwörter diskutiert, die Situation der an den Unis und Fachhochschulen beschäftigen WissenschaftlerInnen wird dabei gerne übersehen. Wir haben daher Vertreter aus Politik, Gewerkschaften und den Rektoraten gebeten, ihre Vorstellungen offen zu legen. Dabei ging es uns nicht nur um unsere eigene Arbeitssituation als WissensarbeiterInnen an Universitäten und Fachhochschulen, sondern auch um die grundsätzliche Frage nach der Universität des 21. Jahrhunderts und der Krise der Universitäten.

Wir stellten an Wissenschafts- und Forschungsminister Karlheinz Töchterle, sowie die Wissenschaftssprecher sämtlicher im Parlament vertretener Parteien einige Fragen zur Zukunft von Universitäten und ihren politischen Positionen in Bezug auf die Arbeitsbedingungen prekär beschäftigter Lehrender und Forschender. Neben den politischen Parteien wurde auch die österreichische Universitätenkonferenz angefragt, für die uns das zuständige Präsidiumsmitglied für Personalangelegenheiten, der Rektor der Universität Wien Georg Winckler antwortete. Von gewerkschaftlicher Seite stellte uns Dwora Stein, die Bundesgeschäftsführerin der Gewerkschaft der Privatangestellten, Druck, Journalismus, Papier (GPA-djp) und Wilhelm Gloss, der Vorsitzendestellvertreter der Gewerkschaft Öffentlicher Dienst (GÖD) eine Stellungnahme zur Verfügung.

Wir danken allen Beteiligten für ihre Antworten und möchten diese hier unkommentiert zur Diskussion stellen:

Wissenschafts- und Forschungsminister Karlheinz Töchterle:

Wie sieht für Sie die Universität des 21. Jahrhunderts aus und welche Maßnahmen gedenken sie für deren Förderung zu ergreifen?

Die tertiäre Bildung ist Spezialbildung: einerseits wissenschaftliche, andererseits berufliche. Dabei ist das Konzept von Bildung durch Wissenschaft unhintergehbares Signum von Universität und daher – angesichts begrenzter Ressourcen – immer nur für eine begrenzte Zahl von Studierenden möglich. Ziel kann nicht eine mancherorts prognostizierte sehr starke Akademisierung der Bevölkerung allein auf universitärem Niveau sein. Das Interesse der Individuen und die Bedürfnisse der Volkswirtschaften an tertiärer Bildung müssen vor allem durch den Ausbau der Fachhochschulen und einer faktischen und ideellen Aufwertung anderer Berufsausbildungen bedient werden. Durch diese Strategie soll verhindert werden, dass sich die österreichische Universitätslandschaft in Richtung einer nur schmalen Exzellenzspitze und einer darunter liegenden breiten Schicht von reinen Lehranstalten entwickelt. Eine derartige Entwicklung würde Regionen wissenschaftlich, ökonomisch und kulturell ausdünnen und den Zugang zur Exzellenz auf Wenige beschränken. Eine breite (!) Spitze ist möglich, wenn man das dominierende, aber auch oft sehr verengende Paradigma eines speziellen naturwissenschaftlichen Forschungsdesigns mit extrem hohem Finanzbedarf nicht auf alle anderen Disziplinen überträgt. Gerade weil ich eine echte Universität für Viele will, bin ich gegen eine reine Lehruniversität für Alle.

Wie sehen Sie als Wissenschaftsminister die Arbeitssituation von LektorInnen, ProjektmitarbeiterInnen und anderen kurzfristig beschäftigten Angehörigen österreichischer Universitäten und welche Perspektiven sehen sie für sie?

Die Personalsituation an den österreichischen Universitäten ist gekennzeichnet durch eine hohe Vielfalt – Vielfalt an gesetzlichen Grundlagen, an Personalkategorien, an verschiedenen Arbeitsverträgen, an unterschiedlichen Finanzierungen und dementsprechenden Regelungen, an verschiedenen Funktionen und Aufgaben. Die Diversität im Bereich Personal ist im letzten Jahrzehnt enorm gestiegen. In Österreich – und wohl auch in anderen europäischen Hochschulräumen – stehen als nächste Schritte klärende Diskussionen an: klare Karrieremöglichkeiten durch transparente Laufbahnmodelle, konkret definierte Diversifizierung der Karrierewege im Bereich Forschung, Lehre und Management sowie neue Wege der Teilhabe und Kommunikation. Die österreichischen Universitäten müssen sich dabei von den hergebrachten Denkmustern des Beamtendienstrechts verabschieden und für sich eine neue Arbeitsrechtskultur entwickeln, in der v.a. das Instrument der Leistungsevaluierung und einer gelebten Kultur der Verantwortung das althergebrachte Instrument der einfachen Befristung ersetzt.

Gibt es von Seiten des Ministeriums Vorschläge zur Verbesserung prekärer Arbeitsverhältnisse im Wissenschafts- und Bildungsbereich?

Universitäten sind nicht „nur“ Bildungs-, Ausbildungs- und Forschungseinrichtungen, sondern auch Arbeitgeber mit großer Personalverantwortung. Ich bin sicher, dass mit dem Kollektivvertrag – der erste „Flächen-Universitäts-Kollektivvertrag“ in Europa übrigens – auch eine moderne Personalentwicklung für moderne Universitäten gewährleistet ist, von der alle Arbeitsverhältnisse profitieren werden.

Es liegt aber dort die Fristigkeit im Wesen einiger universitärer Beschäftigungsverhältnisse, wo sie noch bestimmte Ausbildungselemente enthält. So sollen Dissertantenstellen zum Beispiel jeder neuen Generation von Dissertanten wieder zur Verfügung stehen.

Inwiefern gedenken Sie sich dafür einzusetzen, dass die finanzielle Grundlage für gesellschaftsrelevante, sozial-innovative Forschung sichergestellt wird, nachdem es eine massive Kürzung der Basisförderung sozialwissenschaftlicher Forschungseinrichtungen gab?

Gerade mir als Geisteswissenschaftler ist es ein besonderes Anliegen, dass jede wissenschaftliche Disziplin – unabhängig von „Verwertung“ und Awareness – einen fairen und transparenten Zugang zu öffentlichen Mittel erhält. Nicht alles muss gefördert werden; aber wenn doch, dann nach klaren Spielregeln, wie z.B. dem 3-Säulen-Modell des Wissenschaftsministeriums.

Zur Basisförderung außeruniversitärer Forschungseinrichtungen: Mit mehr als 90 Prozent der betroffenen Einrichtungen, die das Gesprächsangebot des Ministeriums annahmen, wurden Gespräche zu Lösungsansätzen im Rahmen des 3-Säulen-Plans geführt. Rund ein Drittel der Einrichtungen wird das Angebot der Säule 1 in Anspruch nehmen, mindestens zehn Prozent der Einrichtungen wird die Säule 2 (TOP.EU-Programm/Sonderrichtlinie) nutzen. In Säule 3 (Plattform der zeithistorischen politischen Archive unter der Schirmherrschaft der ÖAW) werden vier Einrichtungen inkludiert. Etwa ein Drittel der Einrichtungen wird weiter ihre Aktivitäten ohne finanzielle Unterstützung des BMWF fortsetzen.

Rektor Georg Winckler, zuständiges Präsidiumsmitglied der Österreichischen Universitätenkonferenz (uniko) für Personalangelegenheiten, Vorsitzender des Forums Personal und des Dachverbands der Universitäten:

Wie sieht für Sie die Universität des 21. Jahrhunderts aus und welche Maßnahmen gedenken sie für deren Förderung zu ergreifen?

Wie noch nie zuvor in der Geschichte hängt die künftige Stellung Europas von der Bildung ihrer EinwohnerInnen und von erbrachten Forschungsleistungen ab. Universitäten sind gefordert, Forschungsleistungen zu bringen und mit ihren AbsolventInnen immer wieder die Innovationskraft zu stärken zur Lösung der „Grand Challenges“. Aufgabe des jeweiligen Rektorats, der jeweiligen Unileitung, ist es, vor dem Hintergrund der internationalen Wissenschaftsentwicklung die Strategiefähigkeit der Institution zu stärken. In Österreich hat die Politik allerdings den Universitäten einen zu engen Budgetspielraum bei offenem Hochschulzugang vorgegeben.

Wie sieht die Österreichische Universitätenkonferenz / Rektorenkonferenz die Arbeitsverhältnisse von LektorInnen, ProjektmitarbeiterInnen und anderen kurzfristig beschäftigten Angehörigen österreichischer Universitäten? Welche Relation zwischen kurzfristig Beschäftigten und dauerhaft Beschäftigten streben sie an?

Das Wissenschaftssystem war bislang ein recht geschlossenes System. Inzwischen können Personen außerhalb der Universitäten – viel leichter als früher ‑ Mittel über die Programme einwerben und Forschung betreiben. Das „kreative Potential“ wird somit größer. Institute dürfen nicht „zu pragmatisiert“ sein, denn Universitäten sind mehr denn je gefordert offen für neue MitarbeiterInnen zu sein. Wegen der insgesamt steigenden Studierendenzahlen, rund 30% seit 2005, wuchs auch die Anzahl der Lehrbeauftragten um nahezu denselben Prozentsatz. Dynamisch entwickelte sich seit 2005 auch das Drittmittelpersonal: kopfmäßig ein Plus von 60,2 Prozent (derzeit: 9246 Personen), in Vollzeitäquivalenten plus 43,4 Prozent (derzeit: 6870,4 VZÄ). Nicht mitgewachsenen ist in den vergangenen Jahren das reale Budget der Universitäten, daher konnten die Universitäten auch das Stammpersonal nicht entsprechend erhöhen. Voraussetzung für eine positive Personalstrukturentwicklung ist, dass es für Junge klare Karriereperspektiven verbunden mit transparenten Qualifikationsstandards in den einzelnen Karrierestufen gibt. Laufbahnstellen mit Qualifikationsvereinbarungen, wie mit dem KV eingeführt, sind ein erster Schritt in diese Richtung.

Gibt es aus Sicht der RektorInnen eine Perspektive zur Verbesserung prekärer Arbeitsverhältnisse im universitären Bereich?

Vorweg darf ich festhalten: An den 21 Universitäten wuchs zwischen Oktober 2005 und Ende 2009 das wissenschaftliche Personal nicht nur hinsichtlich der Köpfe (von 26.379 auf 32.877), sondern auch bezüglich Vollzeitäquivalente (VZÄ), nämlich von 16.594,3 auf 19268,6. Es ist bemerkenswert, dass die Universitäten zwischen 2005 und 2009 erheblich Beschäftigung schaffen konnten und dies bei real nur schwach wachsendem Budget! Die Entwicklung war an sich eine positive, wenn es natürlich immer die Möglichkeit und Chance für weitere Verbesserungen gibt. Der Kollektivvertrag kann nicht in wenigen Monaten ein über Jahrzehnte historisch-gewachsenes System sofort „verändern“. Der Kollektivvertrag bot die Chance für einen Neubeginn, ist die Grundlage für zukunftsorientierte Beschäftigungsmodelle. Die größere Herausforderung für die Zukunft sind aber gesetzliche Regelungen, wie das Kettenvertragsverbot, die trotz vielfach gegenteiliger Annahme nicht Teil des Kollektivvertrags sind.

Inwiefern gedenken Sie sich dafür einzusetzen, dass die finanzielle Grundlage für gesellschaftsrelevante, sozial-innovative Forschung sichergestellt wird, nachdem es eine massive Kürzung der Basisförderung sozialwissenschaftlicher Forschungseinrichtungen gab?

Die EU hat diese Notwendigkeit erkannt und will Mittel, in neue Programmschienen investieren, die der zur Erforschung der sogenannten „Grand Challenges“ dienen: Armut, Mobilität und Migration, ökologischer und demographischer Wandel sowie den Wandel zu einer multipolaren Welt. Fragestellungen aus dem Bereich haben hohe Relevanz und stehen vor dem hohen Anspruch, immer  stärker in einem internationalen Rahmen betrieben zu werden. Eine gesellschaftsrelevante, sozial-innovative Forschung die nur nationale Relevanz hat, gibt es nicht.

 

Abg. z. NR. Andrea Kunzl, Wissenschaftssprecherin der SPÖ:

Wie sieht für Sie die Universität des 21. Jahrhunderts aus und welche Maßnahmen gedenken sie für deren Förderung zu ergreifen? 

Die grundlegenden Prinzipien lassen sich anhand zweier Eckpunkte umschreiben, die für die Sozialdemokratie in der aktuellen politischen Debatte maßgebliche Gestaltungskriterien darstellen:

Zum einen die Redemokratisierung der Universitäten und die Weiterentwicklung der inneruniversitären Demokratie. Ein Mehr an universitärer Autonomie muss stets mit einem Mehr an inneruniversitärer Demokratie einhergehen, um das Spannungsfeld zwischen der wissenschaftlichen Freiheit der einzelnen Lehrenden und Forschenden und den notwendigen Entscheidungen wirtschaftlicher Leitungsorgane möglichst gering zu halten.

Zum anderen ist eine ausreichende Finanzierung der Universitäten durch die öffentliche Hand dringend geboten. Dabei sind die durch die Universitäten zu erbringenden Leistungen klar zu formulieren um die notwendigen politische Impulse im Hinblick auf wichtige gesellschaftliche Entwicklungen zu geben (z.B. bei Vereinbarkeit des Studiums mit Beruf und Familie, wachsender nationaler und internationaler Mobilität und beim Bekenntnis zum Life Long Learning).

Wie sieht Ihre Partei die Arbeitsverhältnisse von LektorInnen, ProjektmitarbeiterInnen und anderen kurzfristig beschäftigtenAngehörigen Österreichischer Universitäten und welche Perspektiven sehen sie für sie? 

Die gegenwärtigen Regelungen erschweren den dringend notwendige Ausbau des Lehrpersonalstamms und die Wahrung der personellen Kontinuität. Die Antwort wäre ein Ausbau der unbefristeten Laufbahnstellen sein, eine – von anderer Seite häufig geforderte – Ausweitung der Befristungsmöglichkeiten würde das Problem der unklaren Zukunftsperspektiven nur fortschreiben und ginge damit ausschließlich zu Lasten der ArbeitnehmerInnen.

Gibt es von Ihrer Partei Vorschläge zur Verbesserung prekärer  Arbeitsverhältnisse im Wissenschafts- und Bildungsbereich? 

Einerseits sind ein Ausbau der unbefristeten Laufbahnstellen und die Formulierung klarer Laufbahnmodelle notwendig. Darüber hinaus müssen aber auch die Mitbestimmungsmöglichkeiten des wissenschaftlichen Personals weiterentwickelt werden. So bietet z.B. die laufende Debatte über die Einführung eines Faculty-Modells besondere Chancen, neue Modelle der Mitbestimmung zu entwickeln, die über eine bloße Reform der Habilitation hinausgehen.

Inwiefern gedenken Sie sich dafür einzusetzen, dass die finanzielle  Grundlage für gesellschaftsrelevante, sozial-innovative Forschung sichergestellt wird, nachdem es eine massive Kürzung der Basisförderung sozialwissenschaftlicher Forschungseinrichtungen gab? 

Vorweg muss festgehalten werden, dass diese Kürzungen Spätfolgen der schwersten Wirtschaftskrise seit Jahrzehnten sind. Eine neuerliche Ausweitung der Förderungen ist damit nicht ausgeschlossen und wohl auch davon abhängig, ob die VerursacherInnen der Krise einen gerechten Beitrag zum Steueraufkommen leisten. Eine entsprechend abgesicherte Entwicklung der kritischen Sozialwissenschaften ist aber natürlich insbesondere der Sozialdemokratie ein besonderes Anliegen.

Abg. z. NR Katharina Cortolezis-Schlager, Wissenschaftssprecherin der ÖVP:

Wie sieht für Sie die Universität des 21. Jahrhunderts aus und welche Maßnahmen gedenken sie für deren Förderung zu ergreifen?

Die notwendige Entwicklung hin zur „Wissensgesellschaft“ wird auf europäischer Ebene seit längerem als strategische Ausrichtung im globalen Wettbewerb für Europa diagnostiziert. Die Steigerung erfolgreicher Schul- und Hochschulabschlüsse und die Steigerung an der Teilnahme an Weiterbildung stellen die grundlegende Ausrichtung einer nachhaltigen bildungspolitischen Strategie dar. Um die Partizipation der Bildungsangebote für einen möglichst großen Teil der Bevölkerung zu erschließen, benötigt unser Bildungssystem eine konsequente Verbesserung der Durchlässigkeit, der Begabungsförderung und die Forcierung der internationalen Ausrichtung.

Eine zukunftsorientierte Hochschulpolitik benötigt steuernde Elemente für den Hochschulzugang, um im internationalen Wettbewerb der besten Einrichtungen um die besten Köpfe bestehen zu können. Ein übergeordnetes Ziel ist daher, die Rahmenbedingungen für Studierende durch studienplatzbezogene Finanzierungsmodelle und Kapazitätsvereinbarungen weiter zu verbessern und die Studienförderung zur Stärkung der sozialen Absicherung weiter auszubauen.

Mit einem „Österreichischen Hochschulplan“ soll eine klare Aufgabenteilung und Schwerpunktsetzung angestrebt werden.

Die Finanzierung unserer Universitäten muss auf breiten unterschiedlichen Säulen der öffentlichen und privaten Finanzierung basieren: Modelle einer studienplatzbezogenen Finanzierung, einer Forschungsbasisfinanzierung und einer wettbewerbsorientierten Forschungsfinanzierung sind drei gleichwertige wichtige Säulen der Universität im 21.Jahrhundert.

Die Finanzierungsfrage ist aber nur eine von vielen wichtigen Zukunftsfragen. Neben dem Ausbau der öffentlichen Mittel braucht es auch verstärkte Anreize für den privaten Sektor, in Wissenschaft, Forschung und Entwicklung zu investieren. Denn nur gemeinsam kann es uns gelingen, den Hochschulstandort Österreich weiter zu stärken.

Neben dem regionalen Versorgungsauftrag gewinnen Studienangebote mit einer internationalen Dimension an unseren Hochschulen in Zukunft an Bedeutung. Unsere Hochschulen gehen immer mehr Kooperationen mit Partnern auf der ganzen Welt ein. Künftig sollen  mit den  Hochschulen gemeinsame langfristige Strategien in Lehre und Forschung vereinbart werden, um sich international noch koordinierter zu vernetzen und zu kooperieren.

Zu einer zukunftsfähigen Entwicklung des Wissenschaftssystems gehören für uns daher weitere Schritte der Internationalisierung, damit Österreich attraktiv ist für Talente aus aller Welt. Zu einer weiteren Internationalisierung des Wissenschaftssystems gehört aber auch, noch mehr Dozentinnen und Dozenten sowie Professorinnen und Professoren aus anderen Ländern attraktive Perspektiven für Lehre und Forschung an unseren Hochschulen zu eröffnen und unseren Dozent/Innen international orientierte attraktive Karriere- und Laufbahnmodelle anzubieten.

Wie sieht Ihre Partei die Arbeitsverhältnisse von LektorInnen, ProjektmitarbeiterInnen und anderen kurzfristig beschäftigten Angehörigen österreichischer Universitäten und welche Perspektiven sehen sie für sie?

Österreichs Universitäten stehen in einem Wettbewerb um die besten Köpfe. Um österreichische Lehrkräfte zu halten und um die besten anzuziehen benötigt es klare Karrieremöglichkeiten durch transparente Laufbahnmodelle im Bereich Forschung, Lehre und Management. Dem Nachwuchs werden nur dann realistische Entwicklungs- und Qualifikationschancen geboten werden können, wenn ein angemessenes Verhältnis von „Rotations- und Laufbahnstellen“  gegeben ist. Ohne entsprechende Karriereaussichten, die auch eine angemessene soziale Absicherung implizieren,  wird es in Zukunft schwierig sein, exzellente akademische Lehrer/innen und hochkarätige Forscher/innen zu halten oder gar aus dem Ausland zu gewinnen. Es ist daher wichtig, mit den Hochschulen gemeinsam an solchen Personalentwicklungsmodellen zu arbeiten. Im Rahmen der kommenden Leistungsvereinbarungen sind künftige moderne Personalentwicklungsmodelle mit den Hochschulen im Rahmen ihrer Autonomie zu vereinbaren.

Gibt es von Ihrer Partei Vorschläge zur Verbesserung prekärer Arbeitsverhältnisse im Wissenschafts- und Bildungsbereich?

Der Kollektivvertrag soll einen weiteren Schritt in Richtung Modernisierung der Personalentwicklung an den Universitäten fördern. Eine personell dynamische Zukunftsentwicklung impliziert auch unterschiedlicher Befristungsmodelle. Die Gruppe der Lektor/innen stellt sich sehr heterogen dar. Auf der einen Seite interessieren sich immer mehr Wissenschafter/innen, Expert/innen und Führungskräfte aus unterschiedlichen Branchen und Sektoren dafür, dem interessierten Nachwuchs temporär ihre Expertise zur Verfügung zu stellen. Auf der anderen Seite gibt es auch eine stetig wachsende Gruppe, die hauptberuflich als Lektor/in beschäftigt ist. Für beide Gruppen braucht es maßgeschneiderte Lösungen.

Inwiefern gedenken Sie sich dafür einzusetzen, dass die finanzielle Grundlage für gesellschaftsrelevante, sozial-innovative Forschung sichergestellt wird, nachdem es eine massive Kürzung der Basisförderung sozialwissenschaftlicher Forschungseinrichtungen gab?

Für die meisten außeruniversitären Forschungseinrichtungen konnten im Zuge dieser Strukturveränderung individuelle Lösungen gefunden werden. Es fanden und finden in diesem Zusammenhang sehr viele Gespräche statt. Wir haben uns in den letzten Monaten dafür eingesetzt, für jedes einzelne Institut maßgeschneiderte Lösungen zu finden und werden dies auch weiterhin tun.

Im Vorjahr setzten wir  auch die Overheadfinanzierung für den FWF durch. Für alle außeruniversitären Forschungseinrichtungen besteht in der Projektförderung die Möglichkeit einer FWF-Finanzierung. Diese wurde in den vergangenen Jahren aufgestockt. In einem kompetitiven Forschungsumfeld können sich vor allem die kleineren  Institute mit der Aufrechterhaltung ihrer Wissenslinien aufgrund der Umstellung der Basisfinanzierung auf eine Projektfinanzierung schwer tun. Es wird daher gemeinsam versucht, durch eine stärkere Anbindung dieser Institute an Universitäten und an größere außeruniversitäre Forschungseinrichtungen maßgeschneidert Abhilfe zu schaffen.

Die erfolgreiche Drittmittelanwerbung und das internationale Renommee der außeruniversitären Forschungseinrichtungen zeigen die gesellschaftliche Relevanz der Forschungsfelder in allen Disziplinen – nicht nur in den naturwissenschaftlich technischen Bereichen, sondern auch in den Geisteswissenschaften, Sozialwissenschaften, der Erschließung der Künste etc.

Mit neuen Wegen der Zusammenarbeit von Hochschulen und außeruniversitären Einrichtungen soll eine noch größere internationale Sichtbarkeit der entsprechenden Einrichtungen im Wissenschaftssystem erreicht werden. In Zukunft  sollen neue maßgeschneiderte  Finanzierungsstränge ausgebaut und forciert werden.

 

Dritter Nationalratspräsident Martin Graf, Wissenschaftssprecher der FPÖ:

Wie sieht für Sie die Universität des 21. Jahrhunderts aus und welche Maßnahmen gedenken die für deren Förderung?

Wir fordern eine Aufhebung der zuletzt beschlossenen bildungsfeindlichen Maßnahmen an den österreichischen Hochschulen. Über die Jahre hinweg wurden im Wissenschaftsministerium 322 Millionen Euro (Stand März 2011) an Rücklagen angehäuft. Das Geld soll dort eingesetzt werden, wo es dringend benötigt wird – nämlich zur Beseitigung der katastrophalen Zustände an unseren Universitäten. Ich darf an dieser Stelle auf den freiheitlichen 12-Punkte-Plan erinnern, welcher unter anderem die Abkehr von der Verschulung der Universitäten sowie die Schaffung zusätzlicher Studienplätze und Stellen in der Lehre enthält. Der freie Hochschulzugang für österreichische Studenten muss unbedingt erhalten bleiben bzw. wiederhergestellt werden, wo er durch Zugangsbeschränkungen bereits ausgehöhlt wurde. Studiengebühren sind allenfalls erst dann zu überlegen, wenn der Zugang wieder frei ist und die Studienbedingungen dem internationalen Standard entsprechen.

Wie sieht Ihre Partei die Arbeitsverhältnisse von LektorInnen, ProjektmitarbeiterInnen und anderen kurzfristig beschäftigten Angehörigen österreichischer Universitäten und welche Perspektiven sehen sie für sie?

Die unsicheren, befristeten Arbeitsplätze sowie die karge Infrastruktur an den Universitäten sind nach freiheitlicher Ansicht nicht bildungsfördernd und strikt abzulehnen. Der Grundgedanke von „Senior Lecturers“ an den österreichischen Universitäten ist durchaus positiv zu werten, jedoch muss man sich hier auch an internationale Maßstäbe halten und eine neue Regelung finden. Weiters wird eine Überarbeitung des Kollektivvertrags für die Arbeitnehmer der Universitäten im Zuge eines Gesamtsanierungsplans vonnöten sein.

Gibt es von Ihrer Partei Vorschläge zur Verbesserung prekärer Arbeitsverhältnisse im Wissenschafts- und Bildungsbereich?

Die FPÖ hat sich stets gegen dauerhafte prekäre und atypische Dienstverhältnisse ausgesprochen, dies über den ganzen Arbeitsmarkt und nicht nur im universitären Bereich. Wir fordern faire Löhne für Leistung, sodass für alle Arbeitnehmer sichergestellt ist, dass sie mit ihrem Einkommen auch auskommen. Dauerhafte prekäre Dienstverhältnisse sind eine moderne Art der Leibeigenschaft, die wir aus der Tradition der bürgerlichen Revolution von 1848 strikt ablehnen.

Inwiefern gedenken Sie sich dafür einzusetzen, dass die finanzielle Grundlage für gesellschaftsrelevante, sozial-innovative Forschung sichergestellt wird, nachdem es eine massive Kürzung der Basisförderung sozialwissenschaftlicher Forschungseinrichtungen gab?

Der Staat Österreich hat die Verpflichtung, Forschung in größtmöglicher Breite und damit in allen wissenschaftlichen Disziplinen zu fördern. Da es sich bei Fördergeldern um Mittel der Steuerzahler handelt, muss eine entsprechende Evaluierung stets stattfinden. Für jene Institute, die in ihrem Wirken überwiegen parteipolitische Zielsetzungen verfolgen, lehnen wir die Förderungen aus zusätzlichen öffentlichen Mitteln ab.

Abg. z. NR. Kurt Grünewald, Wissenschaftssprecher der Grünen:

Wie sieht für Sie die Universität des 21. Jahrhunderts aus und welche Maßnahmen gedenken sie für deren Förderung zu ergreifen?

Die neue Universität ist teamorientierter und durch flachere Hierarchien charakterisiert. Mitgestaltung und Mitbestimmung des sogenannten Mittelbaus nützen seine Fähigkeiten und Kompetenzen besser als bisher und fördern Kreativität und die Identifikation mit dem System. Wissenschaftlicher Nachwuchs braucht Autonomie und frühe Selbständigkeit. Bessere Ressourcen eröffnen dem Nachwuchs Perspektiven. Mehr Demokratie ist dabei kein Störfaktor sondern motivierend. Eine entsprechende UG Novelle und eine deutliche Aufstockung der Finanzmittel ist dabei allerdings unumgänglich.

Wie sieht Ihre Partei die Arbeitsverhältnisse von LektorInnen, ProjektmitarbeiterInnen und anderen kurzfristig beschäftigten Angehörigen österreichischer Universitäten und welche Perspektiven sehen sie für sie?

Die Arbeitsverhältnisse sind vielfach prekär und entwürdigend. Sparen bei befristet Angestellten ist kein adäquates Zeichen der Wertschätzung und entspricht vielfach nicht den Ethikrichtlinien die sich die EU im Umgang mit dem wissenschaftlichen Nachwuchs gegeben hat. Eine bessere soziale Absicherung und verbesserte Möglichkeiten produktiven Forschens und Lehrens ist daher sicherzustellen. Um weiterer Ausbeutung entgegenzuwirken sollten hier entsprechende Richtlinien in den Satzungen der Universitäten verpflichtend werden.

Gibt es von Ihrer Partei Vorschläge zur Verbesserung prekärer Arbeitsverhältnisse im Wissenschafts- und Bildungsbereich?

Rechte von befristet Angestellten sollten nicht nur klarer sondern auch verbindlicher formuliert werden (Satzungen, Kollektivvertrag, UG Novelle).Eine Ombudsstelle sollte die Einhaltung von Mindeststandards laufend evaluieren. Ausreichende Budgets müssen den Universitäten die Möglichkeit bieten LektorInnen auch unbefristete, zumindest aber längere Dienstvertrage anzubieten.

Inwiefern gedenken Sie sich dafür einzusetzen, dass die finanzielle Grundlage für gesellschaftsrelevante, sozial-innovative Forschung sichergestellt wird, nachdem es eine massive Kürzung der Basisförderung sozialwissenschaftlicher Forschungseinrichtungen gab?

Ich habe im Gespräch mit Minister Töchterle aber auch anderen Entscheidungsträgern mehrfach darauf hingewiesen, dass Universitäten auch in Krisenzeiten sich nicht vornehmlich dem vordergründlich „Nützlichem“ verschreiben dürfen. Reflexive Wissenschaft und damit Geistes- und Kulturwissenschaften dürfen nicht laufend in Legitimationszwänge geraten und eine zunehmende Inbalance gegenüber technisch- naturwissenschaftlichen Fächern kann nicht weiter hingenommen werden. Hier setze ich auch auf verstärkte Aufklärungsarbeit im Parlament. Die Publikationsförderung sollte wieder aufgenommen und dem FWF übertragen werden.

Abg. z. NR. Rainer Widmann, Wissenschaftssprecher des BZÖ:

Wie sieht für Sie die Universität des 21. Jahrhunderts aus und welche Maßnahmen gedenken sie für deren Förderung zu ergreifen?

Die Universitäten des 21. Jahrhunderts müssen Ausbildungsinstitutionen, die den Studierenden eine höchstqualifizierte Berufsvorbereitung anbieten, aber auch Bildungsinstitutionen, in denen Forschung frei möglich ist, sein. Dafür brauchen diese Institutionen dringend die entsprechende finanzielle Unterstützung, wie von uns bereits mittels zahlreicher Anträge gefordert! Die sofortige Ausschüttung einer zweckgebundenen Notfallfinanzierung in der Höhe von EUR 250 Mio. aus dem Budget an die Universitäten würde die akuten personellen und infrastrukturellen Defizite beseitigen. Als zweiten Schritt muss die Regierung ihre Absichtserklärungen, bis 2020 rund 2% des BIP für den tertiären Bereich aufwenden zu wollen, endlich umsetzen. Schließlich sollte auch eine grundsätzliche Änderung der Finanzierungsstruktur überlegt werden.

Wie sieht Ihre Partei die Arbeitsverhältnisse von LektorInnen, ProjektmitarbeiterInnen und anderen kurzfristig beschäftigten Angehörigen österreichischer Universitäten und welche Perspektiven sehen sie für sie? Gibt es von Ihrer Partei Vorschläge zur Verbesserung prekärer Arbeitsverhältnisse im Wissenschafts- und Bildungsbereich?

Die prekäre Lage der LektorInnen, Projektmitarbeiterinnen und aller anderen kurzfristig beschäftigten Angehörigen österreichischer Universitäten ist natürlich eng verbunden mit der prekären finanziellen Lage der Universitäten. Lektoren und Lektorinnen bekommen, wie sie zweifelsfrei wissen, monatlich zwischen EUR 300 und 1300, davon kann man natürlich nicht leben, auch wenn es zu Beginn einer Karriere eine prestigeeinbringende Position ist, braucht man auch eine gewisse Perspektive. Da es diese in Österreich kaum gibt, suchen viele den Weg ins Ausland und verfolgen ihre Karriere in Ländern, die diesem Sektor mehr Aufmerksamkeit schenken und vor allem die nötigen Mittel zur Verfügung stellen, wie bspw. die USA. Natürlich ist ein Vergleich zwischen uns und den USA nicht sinnvoll, dennoch müssen wir alle Maßnahmen ergreifen, um den Bildungs- und Wissenschaftsstandort Österreich auf dem internationalen Markt wettbewerbsfähig zu erhalten.

Inwiefern gedenken Sie sich dafür einzusetzen, dass die finanzielle Grundlage für gesellschaftsrelevante, sozial-innovative Forschung sichergestellt wird, nachdem es eine massive Kürzung der Basisförderung sozialwissenschaftlicher Forschungseinrichtungen gab?

Wie bereits eingangs erwähnt, habe ich als Wissenschaftssprecher des BZÖ mittels einer Serie von Anfragen und Anträgen einerseits auf die unzulängliche finanzielle Lage im tertiären Bereich aufmerksam gemacht, andererseits ein „Sofortmaßnahmenhilfspaket“ verlangt, das unter anderem, die Ausschüttung von EUR 250 Mio., aber auch das Thema Förderungen beinhaltet. Selbstverständlich muss Forschung gefördert werden, in allen Bereichen, denn nicht nur unsere wirtschaftliche, sondern auch unsere soziale Weiterentwicklung ist von größter Bedeutung. Ich werde mich, wie auch bisher, in Zukunft dafür einsetzen, dass die von mir vorgeschlagenen Maßnahmen zur Rettung unserer Universitäten umgesetzt werden und hoffe dabei sehr, auch auf ihre Unterstützung zählen zu können.

Wilhelm Gloss, Vorsitzender-Stellvertreter der Gewerkschaft Öffentlicher Dienst (GÖD):

Wie sieht für Sie die Universität des 21. Jahrhunderts aus und welche Maßnahmen gedenken sie für deren Förderung zu ergreifen?

Bei der Vision für die österreichischen Universitäten im 21. Jahrhundert steht für die Gewerkschaft die Entwicklung der Qualität der Arbeitsplätze im Fokus. Folgende Aspekte stehen im Zentrum des gewerkschaftlichen Interesses für den „Arbeitsplatz Universität im 21. Jahrhundert“:

1. Verlässliche Berufsperspektiven für WissenschaftlerInnen und KünstlerInnen schaffen:

WissenschaftlerInnen und KünstlerInnen brauchen Berufsperspektiven! Die Möglichkeiten, die der Kollektivvertrag dazu eröffnet, müssen ausgeschöpft werden: Einzurichten sind Qualifikationsstellen für Professuren ebenso wie Stellen für den dauerhaften Verbleib an der Universität ohne Professur. Systematische und transparente Personalplanung ist Voraussetzung für die qualitätvolle Umsetzung des Kollektivvertrages.

2. Prekäre Beschäftigungen müssen durch reguläre Beschäftigungen ersetzt werden:

Viele Universitäten lassen unter dem großen finanziellen Druck insbesondere die Leistungen in der Lehre von LektorInnen erbringen. Auch für wissenschaftliche und künstlerische Aufgaben werden zunehmend Verträge mit geringem Beschäftigungsausmaß und kurzen Befristungen geschaffen. Diese Entwicklung muss rückgängig gemacht werden.

3. Lehren, forschen und leben in Balance:

Die Universitäten müssen den Anforderungen familiengerechter Arbeitsplatzgestaltung Rechnung tragen und dabei einem zeitgemäßen breiten Familienverständnis Rechnung tragen.

4. Ausgeglichenes Geschlechterverhältnis durchsetzen:

Universitäten sind männerdominiert, Frauen in Führungspositionen eine Minderheit. Der Prozentsatz der Professorinnen hat sich von 2005 auf 2010 von 14,9% auf 19,6% erhöht.  Wenn die Entwicklung in diesem Tempo weitergeht, wird es noch rund 37 Jahre dauern, bis gleich viele Frauen und Männer ProfessorInnen sein werden.

Die Gewerkschaft öffentlicher Dienst beobachtet kritisch die Umsetzung des Kollektivvertrages, steht in ständigem Informationsaustausch mit den Betriebsräten und führt laufend Verhandlungen mit dem Dachverband. Im Zentrum der gewerkschaftlichen Forderungen stehen aktuell die Forderung nach Abbau prekärer Arbeitsverhältnisse und die Forderung nach systematischer und transparenter Planung der Personalentwicklung.

Wie sieht Ihre Gewerkschaft die Arbeitsverhältnisse von LektorInnen, ProjektmitarbeiterInnen und anderen kurzfristig beschäftigten Angehörigen österreichischer Universitäten und welche Perspektiven sehen sie für sie?

Lektorate, Projektarbeit und kurzfristige und Teilbeschäftigungen werden derzeit an manchen Universitäten missbräuchlich dafür eingesetzt, um die angespannte finanzielle Situation zu bewältigen. Diese Entwicklung ist rückgängig zu machen.

Setzt sich Ihre Gewerkschaft für die Verbesserung prekärer Arbeitsverhältnisse im Wissenschafts- und Bildungsbereich ein? Sehen Sie sich auch als Interessenvertretung prekarisierter WissensarbeiterInnen?

Die Gewerkschaft vertritt die Interessen aller Angestellten der Universität. Gewerkschaftliches Ziel ist die Beseitigung prekärer Arbeitsverhältnisse und die Schaffung regulärer Arbeitsplätze.

Inwiefern gedenken Sie sich dafür einzusetzen, dass die finanzielle Grundlage für gesellschaftsrelevante, sozial-innovative Forschung sichergestellt wird, nachdem es eine massive Kürzung der Basisförderung sozialwissenschaftlicher Forschungseinrichtungen gab?

Die Gewerkschaft fordert ausreichende Finanzierung aller Universitäten auf der Basis systematischer und transparenter Planung der Personalentwicklung.

Abschließend teile ich namens des Herrn Vorsitzenden Fritz Neugebauer mit, dass die Gewerkschaft Öffentlicher Dienst gemeinsam mit der Universitätsgewerkschaft der IG LektorInnen und WissensarbeiterInnen zum Jubiläum herzlichst gratuliert, viel Erfolg für die Zukunft wünscht und einem Ausbau der Zusammenarbeit gerne entgegensieht.

Dwora Stein, Vorsitzende der GPA-djp:

Im Laufe ihrer Geschichte ist es gelungen, die Universitäten zu öffnen und immer mehr Menschen den Zugang zu Hochschulen – und damit zu Bildung, Wissenschaft und Forschung – zu gewähren. Eingebettet in die generelle Zielsetzung, allen Menschen beste Bildung zu ermöglichen, bleibt die Errungenschaft einer offenen Universität für die GPA-djp das Leitbild für die Hochschule des 21. Jahrhunderts. Wesentlich dafür ist ein Zugang zu tertiärer Bildung, der sich an Eignung und Neigung orientiert, sowie der Ausbau demokratischer Mitbestimmung in den Bereichen Verwaltung, Forschung und Lehre. Die Universität des 21. Jahrhunderts soll für Studierende wie Lehrende Diskursforum, Studienraum und Forschungsstätte sein. Sie mag sich primär der Welt der Wissenschaft verpflichtet fühlen, sieht aber deutlich ihre Einbettung in eine bewegte gesellschaftliche Umwelt, gegenüber der sie soziale Verantwortung trägt. Dadurch gewinnt sie wieder allgemeines Ansehen und wird als nutzbringende Einrichtung für alle wahrgenommen. Diesem Ansehen und dieser Wahrnehmung sollten auch die Rahmenbedingungen des Lehrens, Studierens und Forschens entsprechen, was vor allem bedeutet, dass die öffentliche Hand ihrer bildungs- und wissenschaftspolitischen Verantwortung durch die Bereitstellung der nötigen Ressourcen nachkommt.

Die Entwicklungen der letzten Jahre passen nicht zu diesem Bild. Die Umsetzung der Bologna-Reformen hat in erster Linie auf Einsparungen, Leistungsverdichtung und Beschränkungen abgezielt. Das Ergebnis ist eine schlecht funktionierende Massenuniversität, bei der die Bildung der Studierenden und die Arbeitsplatzqualität in Lehre und Forschung auf der Strecke bleiben.

Die GPA-djp setzt sich sowohl für eine Neuausrichtung der Hochschulpolitik und eine Verbesserung der Situation an den Universitäten als auch für die Anliegen von ArbeitnehmerInnen in Bildungs- und Forschungseinrichtungen ein. Unter anderem mit der Interessengemeinschaft work@flex werfen wir dabei ein besonderes Augenmerk auf atypische, flexibilisierte und prekär Beschäftigte. Wir unterstützen die Interessen von WissensarbeiterInnen gegen eine Politik, die auf eine weitere Zunahme von Prekarisierung in diesen Arbeitsbereichen und eine systematische Verschlechterung von Arbeits- und Lebensbedingungen der Beschäftigten hinausläuft. Das zeigen nicht nur gemeinsame Protestaktionen mit ForscherInnen und BetriebsrätInnen wie beispielsweise jener Anfang 2011 gegen den Kahlschlag in der außeruniversitären Forschung, sondern auch unser beständiges Eintreten gegen Budgetkürzungen und für mehr öffentliche Investitionen im Sozial-, Bildungs- und Forschungsbereich.