Jahresbericht der IG Externe LektorInnen und Freie WissenschafterInnen 2009

Meine Wahl zum Präsidenten der IG Externe LektorInnen und Freie WissenschafterInnen 2009 fiel zeitlich mit Organisationsversuchen anderer Lehrenden- und Forschendengruppen an der Universität Wien zusammen, mit denen wir uns im letzten Jahr stärker vernetzt haben. Diese Vernetzungen, die Präsenz der IG bei den Uniprotesten im Herbst, die öffentliche bzw. mediale Präsenz unserer Forderungen, die Beteiligung an den Bologna-Protesten und schließlich die Gewinnung neuer Mitglieder, AktivistInnen und zukünftiger Vorstandsmitglieder (und damit verbunden die Verbreiterung der Basis der IG) halte ich für die zentralen Erfolge des vergangenen Jahres.

Ohne auf unser ursprünglich zentrales Betätigungsfeld der universitären Lehre zu verzichten, beschäftigt sich die IG nun verstärkt mit prekären wissenschaftlichen Arbeitsverhältnissen, wie jenen der befristeten Anstellung von AssistentInnen, ProjektmitarbeiterInnen, freien WissenschafterInnen, bis zu den befristeten ProfessorInnen.

Die IG hat im vergangen Jahr erstmals den BR-Vorsitzenden zu Gesprächen eingeladen. Dabei fand insbesondere ein Austausch über die geplanten SL-Stellen und Anstellungen von LektorInnen gem. § 29 des KV statt.

IG hat die von den LektorInnen der Kultur- und Sozialanthropologie initiierte Protestaktion der Verweigerung von Betreuung von Diplomarbeiten ohne adäquate Bezahlung unterstützt. Dazu wurden auch Gespräche mit der StV Doktorat Sowi geführt um ein gemeinsames Vorgehen in unserem Sinne zu koordinieren. Ein neues Modell für die Remuneration von Betreuung wird derzeit von der Uni Wien ausgearbeitet und soll rasch umgesetzt werden.

Die Unzufriedenheit mit dem Kollektivvertrag, das Auslaufen der ersten befristeten Anstellungen des durch das US 2002 geschaffenen 'neuen Mittelbaus' und das drohende Ende universitärer Karrieren durch die 'Kettenvertragsregelung' für Drittmittelangstellte, hatte bereits im Laufe des Studienjahres 2008/2009 zu einer stärkeren Organisierung der betroffenen Statusgruppen geführt. In diesem Sinne beteiligte sich die IG aktiv an der Petition Für eine 'wirkliche' Nachwuchförderung sowie gute und gesicherte Arbeitsbedingungen. Petition zugunsten des akademischen Mittelbaus der Universität Wien. Diese Initiativen koordinierten sich über den Sommer stärker und organisierten für den 14. Oktober 2009 gemeinsam mit der IG Externe LektorInnen und Freie WissenschafterInnen und der Gruppe 'Prekärcafe' eine sehr gut besuchte Veranstaltung mit einem Vortrag von Susanne Pernicka unter dem Titel Prekarisierung in den Wissenschaften - Organisieren wir uns!?.

Mit dieser Veranstaltung wurde von Seiten der Lehrenden und Forschenden eine Dynamik in Gang gesetzt, die sich mit Beginn der Studierendenproteste eine Woche später, massiv beschleunigte. Die IG Externe LektorInnen und Freie WissenschafterInnen solidarisierte sich bereits nach der ersten Nacht der Audimax-Besetzung mit den Protestierenden und lud wenige Tage später zu einem Lehrenden und Forschendentreffen ein, an dem ca. 150 MitarbeiterInnen aus Wiener Universitäten teilnahmen. Daraus entwickelte sich eine regelmäßig tagende Lehrenden- und Forschendenversammlung, die von einem rotierenden Organisationsteam vorbereitet und moderiert wird und mit dem Label der "Squatting Teachers" wesentlich zur Sichtbarkeit von Lehrenden in der Protestbewegung beitrug. Die IG Externe LektorInnen und Freie WissenschafterInnen konnte im Rahmen der Protestbewegung immer wieder in den Medien auf die Anliegen der LektorInnen hinweisen und beteiligte sich schließlich vom 11. bis 14. März 2010 aktiv an den Bologna-Protesten in Wien.

Medial waren wir mit unseren Forderungen in der vergangenen Funktionsperiode erstmals mit einem Interview mit ORF Science präsent, das ich gemeinsam mit meiner Vorgängerin Annemarie Steidl zum ersten Mai gegeben hatte: http://sciencev1.orf.at/science/news/155594
Im Juni erschienen zum Thema Gastkommentare von mit in der Zeitschrift Campus: http://www.ig-elf.at/fileadmin/homepage/Archiv/Texte/Schmidinger_Campus_2009-06-09s13.pdf und der Tageszeitung Die Presse: http://diepresse.com/home/meinung/gastkommentar/486738/index.do
Das Herbstsemester begann mit zwei Interviews mit mir in meiner Funktion als IG-Präsident in den Obdachlosen-Zeitschriften Augustin (http://www.ig-elf.at/fileadmin/homepage/Archiv/Texte/Augustin_259_8-9_Interview.pdf) und Eibischzuckerl (http://www.ig-elf.at/fileadmin/homepage/Archiv/Texte/Eibischzuckerl_Interview_200910-22.pdf)
Am 6. Oktober kam ich in einem Journal Panorama zum Thema "Aufruhr an Österreichs Universitäten" zu Wort. Die APA und der Online Standard berichteten am 15. Oktober über unsere statusübergreigenden Organisationsversuche (http://derstandard.at/1254311539972/Uni-Lektoren-organisieren-sich-im-Kampf-gegen-Prekarisierung)
Zeitgleich mit dem Beginn der Audimaxbesetzung erschien am 22. Oktober ein schon zuvor verfasster Gastkommentar in der Wiener Zeitung (http://www.wienerzeitung.at/default.aspx?tabID=4152&alias=wzo&cob=446063)
Mit Beginn der Uniproteste steigerte sich das mediale Interesse massiv. Der Standard, die Wiener Zeitung, der Kurier, die Salzburger Nachrichten und die Presse berichteten über die Solidarisierung der IG mit den Audimax-BesetzerInnen und teilweise auch über die spezifischen Anliegen der IG. In der Folge erschienen eine Reihe von Interviews, Stellungnahmen und Gastkommentare in verschiedensten Zeitungen. Am meisten Verbreitung fand dabei vermutlich mein Interview im Ö1 Morgenjournal vom 29. Oktober, mein Auftritt bei Talk of Town auf Puls 4, ein Interview mit der Tageszeitung Standard (http://derstandard.at/1256745693504/UNISTANDARD-Interview-Trennung-von-Forschung-und-Lehre) und der Gastkommentar in der Uni-Beilage der Salzburger Nachrichten, die vor allen österreichischen Universitäten verteilt wurde: http://www.ig-elf.at/fileadmin/homepage/Archiv/Texte/uni_salzburger_nachrichten.pdf
Längere Beiträge erschienen in der Zukunft (SPÖ), dem Planet (Grüne) und als Buchbeitrag in einem Buch ("Unibrennt") zur Protestbewegung. Darin ist die IG gleich mit zwei Beiträgen von mir als Präsident und von Herta Nöbauer als Vizepräsidentin vertreten.
Alle weiteren Interviews, Gastkommentare und Medienberichte während der Uniproteste sind auf der Website der IG verlinkt.

Nach der polizeilichen Räumung des Audimax schrieb der Vorstand der IG am 22. Dezember einen offenen Brief an den Unirats-Vorsitzenden Max Kothbauer, in dem die Absetzung von Rektor Winckler gefordert wurde. Daraus ergab sich ein konstruktives Gespräch mit Uniratsvorsitzendem Kothbauer, in dem dieser seine Unterstützung für längerfristige Verträge für LektorInnen zusicherte. Die Gespräche darüber dauern an.

Unsere öffentliche Präsenz war mit dem vorläufigen Ende der Uniproteste jedoch nicht zu Ende. In der Presse wurde die neue Wissenschaftsministerin Karl in einem Gastkommentar willkommen geheißen: http://diepresse.com/home/meinung/gastkommentar/537118/index.do

Am 11. März erschien mein Gastkommentar zum Bologna-Prozess und zu den Protesten dagegen in der Wiener Zeitung: http://www.wienerzeitung.at/DesktopDefault.aspx?TabID=4445&Alias=wzo&cob=477774
Am 13. März berichtete die Wiener Zeitung ebenfalls über unsere Kritik am Bologna-Prozess und das "Angebot" von Ministerin Karl zur Überarbeitung der Curricula, das jedoch LektorInnen in diese Vorbereitungen nicht einbinden wird: http://www.wienerzeitung.at/DesktopDefault.aspx?TabID=3936&Alias=wzo&cob=478283

Die IG war von Anfang an in die Bologna-Proteste eingebunden. Ich nahm als Präsident der IG auch an der Vorbereitenden Pressekonferenz teil, über die u.a. in der Kronen Zeitung berichtet wurde, sowie an einer Live-Diskussion zum Bologna-Prozess bei Radio Orange.

Am 10. März solidarisierte sich die IG mit der kurzfristigen Besetzung des NIG durch die Studierendenbewegung. Ich stattete auch noch einen nächtlichen Solidaritätsbesuch ab.

Während des gesamten Jahres wurde immer wieder Kontakt zum Betriebsrat gehalten, in dem Annemarie Steidl bis Ende 2009 für die IG vertreten war. Zudem wurde versucht den Kontakt zu LektorInnenvernetzungen an den einzelnen Instituten (v.a. Politikwissenschaft, Theater-, Film- und Medienwissenschaften und KSA) auszubauen.

Bei der letzten Vorstandssitzung im Februar wurde ich beauftragt Kandidaturgespräche mit der Liste Kritischen Liste GAKU PLUM + IG LektorInnen, Stud. MitarbeiterInnen, Grüne, FSG und Unabhängige für die Betriebsratswahlen zu führen und Herta Nöbauer mit dem ULV. Erstere wurden geführt, zweitere krankheitsbedingt nicht. Heute wird in der Generalversammlung über das Angebot zur gemeinsamen Kandidatur zu entscheiden sein.
Als Präsident der IG hielt ich zudem 3 Vorträge: je einen im Rahmen der Protestbewegung in besetzten Hörsälen der Uni Wien (Audimax) und der Uni Graz, sowie einen bei Momentum 09 in Hallstatt. Unser Mitglied Dunja Larise nahm mit einer finanziellen Förderung der IG auch am Bolognaprozess-Gegengipfel in Louvain/ Bruxelles vom 25. - 30. April 2009 als Vertreterin der IG teil.
Als stellvertretende Präsidentin der IG wurde Herta Nöbauer in die Lehrveranstaltung "Bildung zwischen Ökonomisierung und Emanzipation. Der Beitrag Antonio Gramsci's zu einer Analyse der Bildungsbewegung" (Leitung: Mag. Dr. Elisabeth Mixa und Hon. Prof. Dr. Friedhelm Kröll) eingeladen, um zum Themenblock Bildungspolitik im Mai 2010 über die universitäre Protestbewegung (von Studierenden und Lehrenden) aus einer geschlechterkritischen Perspektive beizutragen.

Insgesamt sind im vergangenen Jahr 9 neue Mitglieder der IG beigetreten und eine Person, der der Mitgliedsbeitrag zu hoch war, ausgetreten. Die IG wächst damit nur langsam. Dazu hat vermutlich nicht nur die verstärkte öffentliche Präsenz, sondern auch die Postkarten beigetragen, die wir im Herbst zur Bewerbung der IG drucken ließen. Wichtiger als die neuen Mitglieder, finde ich jedoch die Tatsache, dass es nun einige neue AktivistInnen von verschiedenen Instituten und Unis gibt, die bereit sind im zukünftigen Vorstand eine aktive Rolle zu spielen.

Mit dieser Generalversammlung wird es damit voraussichtlich gelingen neue AktivistInnen, die im Rahmen der Uniproteste zur IG gestoßen sind, in den Vorstand zu wählen. Meine Bemühungen der letzten Wochen neue Vorstandsmitglieder zu finden, die auch bereit sind aktiv zu sein, sind vermutlich wesentlich wichtiger als die öffentliche Präsenz in den letzten Monaten und so betrachte ich diese als meinen größten Erfolg als Präsident der IG Externe LektorInnen und Freie WissenschafterInnen. Die IG wird damit zu einer breiteren und besser vernetzten Interessenvertretung, die sich effektiver für die Verbesserung der Arbeitsbedingungen von LektorInnen und freien WissenschafterInnen einsetzen kann und auch weiterhin um grundsätzliche Alternativen zum krisengeschüttelten derzeitigen Bildungs- und Wissenschaftssystem bemühen wird.

Thomas Schmidinger (mit Unterstützung von Herta Nöbauer), 15. März 2010