Bericht vom Bolognaprozess-Gegengipfel in Louvain/ Bruxelles, 25. – 30. April 2009

Von Dunja Larise, Juni 2009

Anlässlich des zehnjährigen Jubiläums des Bologna- Prozesses fand ein Ministerialtreffen zur Zukunft des Bologna-Prozesses zwischen 25. und 30. April 2009. in Bruxelles, bzw. Louvain statt. Parallel dazu fand in denselben Städten auch ein Gegengipfel statt, organisiert von BildungsaktivistInnen aus ganz Europa.
Der Gegengipfel bestand aus zwei organisatorischen Einheiten. Die eine war ein Generaltreffen in Bruxelles, bei welchem eine Generalversammlung und verschiedene Workshops organisiert wurden und die zweite waren die lokalen Protestaktionen quer durch die europäischen Universitäten, bzw. sogar weltweit.
Die Generalversammlung in Bruxelles/Louvain wurde mit einer Generalkonferenz in den Räumlichkeiten der Universität in Bruxelles am 25.April. Am 26. April nahmen die nationalen/lokalen Delegationen an verschiedenen Workshops/Ateliers statt, die ebenfalls an der Universität von Bruxelles stattfanden. Am 27. April wurde eine Gegenerklärung zum Bologna-Prozess verfasst (http://www.louvain2009.com/LOUVAIN-COUNTER-SUMMIT-DECLARATION), wie auch die Vorbereitungen für die Demonstrationen am folgenden Tag in Louvain im Angriff genommen. Am 28. April fand schließlich eine Demonstration anlässlich der Eröffnung der Ministerkonferenz in Louvain statt, wie auch eine parallel dazu in Brüssel, auf Gare de Nord, anlässlich des Aufrufes der Plattform Respact (www.respact.be).
Die Demonstration am 30. April wurde am 1.Mai fortgesetzt mit einer etwas breiteren Plattform und in Kooperation mit dem Belgischen studentischen Verband zur Unterstützung von Immigranten ohne Papiere in Belgien.

Generalversammlung

Die Generalversammlung fand in der Zeit zwischen 9.30 und 12.30 am ersten Tag des Gegengipfels in der Zentralaula der Universität in Bruxelles statt. Nach der Begrüßung und kurzer Schilderung des weiteren Ablaufs des Gegengipfels präsentierte das Bruxelles Team das Bologna-Prozess, seine Entstehungsgeschichte, seine Ziele und Kontexte als auch die zentralen Probleme mit denen die Universitäten durch seine Folgen konfrontiert sind. Angesprochen wurden vor allem die Probleme der Kommerzialisierung des öffentlichen Wissens und der Wissenschaft, die Prekarisierung der Arbeit und des Lebens der WissenschaftlerInnen, wie auch die dramatischen Folgen dieser Privatisierung und Kommerzialisierung für die StudentInnen. Ein freier und öffentlicher Zugang zur Bildung wurde als Priorität im Bezug auf die Zukunft des Wissens postuliert. Da der Gegengipfel vor allem durch die studentischen Vereinigungen organisiert wurde, lag der Schwerpunkt auf den Problemen der StudentInnen.
Nach diesen einführenden Worten wurden die Berichte aus Frankreich, Italien, Deutschland und Griechenland vorgelesen, die über den Fortschritt des Bolgna-Prozesses und über die Aktivitäten des organisierten Widerstands in jedem einzelnen Land berichteten. Zusätzlich wurden wir über die Aktivitäten der globalen Widerstandswoche europaweit informiert.
Die Generalversammlung verlief informativ, bzw. einführend zu den Zielen und Strategien des Gegengipfels und der europäischen Widerstandsplattform.
Als zentrales Koordinationsmechanismus der lokalen Widerstandsaktionen wurde das Homepage: http://www.louvain2009.com/ präsentiert. Auf der Homepage sind nicht nur die aktuellen Ereignisse oder Ankündigungen zu verschiedenen Aktionen zu finden, sondern auch ein Netzwerk der internationalen studentischen-, bzw. Vereinigungen des wissenschaftlichen Personals der Universitäten. Ich habe die IG-Externe LektorInnen auf die Liste der partizipierenden Organisationen gesetzt und so mit anderen Organisationen vernetzt.

Internationale Ateliers

Die internationalen Ateliers, bzw. Workshops fanden an 25. und 26. April an der Universität Bruxelles statt. Sie wurden von den nationalen Teams im Voraus angekündigt und organisiert. Ich bin relativ spät dazu gestoßen, aber es war mir kein Problem, mich den Workshops anzuschließen.

Die thematischen Schwerpunkte der Ateliers kreisten um drei große Überthemen/Schwerpunkte:

  1. Bildung – Universität – Gesellschaft
  2. Verbreitung, Produktion, Vermittlung von Wissen und Kompetenzen
  3. Leben und Funktion der Universität

Diese großen Überthemen bildeten nach Angaben der Organisatoren eine mehr oder weniger willkürliche Einteilung. Den einzelnen Ateliers blieb es überlassen sich um die verschiedenen Aspekte dieser Themen selbst zu einigen. Es war auch möglich Ateliers zu kreieren die außerhalb dieser Schwerpunktthemen angesiedelt gewesen wären.

Schlussendlich standen folgende Ateliers zu oben genannten Schwerpunkten zur Auswahl:

  • Intellektueller Besitz
  • Verbreitung des Wissens und ungleiches Verhältnis zwischen Lehrenden Unterrichtenden und Unterrichteten
  • Evaluation (Professoren, Studenten, Recherche)
  • Platz der Recherche im Unterricht
  • Die Disziplinen des Wissens
  • Finanzierung der Universitäten
  • Leidenschaft und Wissen in Angesicht des Uni-Managements
  • Die Situation der Doktoranten und die Arbeitsteilung an den Universitäten
  • Die Genderfrage in der Bildung
  • Demokratie an der Uni – Leitung, Präsentation, Verwaltung, Selbstverwaltung
  • Gleichheit im Wissen
  • Das technische und administrative personal und ihre Rolle im Unterricht und der Recherche
  • Initiativen der Kritik an den Grenzen der Universitäten
  • Die Garantie der Unabhängigkeit der Recherche
  • Wissen und Kompetenzen
  • Finanzierung und Nutzen der Recherche
  • Privatisierung (Mäzenat, Berater, Partner aus der Privatwirtschaft)
  • Validierung von Erfahrungen
  • Mittel des Ausdrucks
  • Relationalisierung der Angebote, Zentralisierung/ Dezentralisierung der Master/ Fusion der Universitäten
  • Räume der Universitäten: Bibliotheken, Unterkünfte, zur Verfügung stehende Mittel
  • Universitärer Austausch
  • Uni als Asyl?

Und außerhalb der Themenschwerpunkte:

  • Die Lobbies (CEO)
  • Medien und soziale Bewegungen
  • Die neuen Formen des Widerstandes/ Unterdrückung spezifisch in der Welt der Universitäten

Da alle Ateliers von verschiedenen nationalen Teams vorbereitet und organisiert wurden, trugen alle ihre spezifischen nationalen Erfahrungen und Perspektiven mit ein. Die spontanen Teilnehmer der Ateliers waren vor allem die Studenten der Bruxelles Universität, aber auch die individuellen internationalen Teilnehmer. Die dominanten Sprachen der Ateliers waren vor allem Englisch und Französisch, jedoch nicht ausschließlich.
Bei so einer Anzahl verschiedener Ateliers und einer relativ klandestinen Organisation war es nicht leicht, sofort diejenigen zu finden denen man sich anschließen wollte.

Ich habe mich entschlossen nicht beide Tage bei einem Atelier zu bleiben, da ich schon mehr als nur einen Workshop besuchen wollte. Auf der anderen Seite wollte ich aber auch nicht nur „touristisch“ bei den jeweiligen Workshops sitzen, so schien es mir auch nicht angemessen einfach durch verschiedene Ateliers unverbindlich durchzuspazieren. So entschloss ich mich für zwei Ateliers, jeweils an einem Tag. Das waren dann:

  • Die Situation der Doktoranten und Arbeitsteilung an der Uni, und
  • Privatisierung (Mäzenat, Berater, Partner aus der Privatwirtschaft)

Das Atelier „Situation der Doktoranden und Arbeitsteilung an der Uni“

Dieses Atelier wurde von einer autonomen Vereinigung der StudentInnen im Doktoratstudium der Universität Bruxelles organisiert. Die Hauptthemen der Diskussion waren das neue PhD Studium und die neuen Rollen und Funktionen des Doktoratstudiums. In Kürze wurde festgestellt, dass die Programme des PhD-Studiums, mit einer erhöhten Anzahl der zu absolvierenden Stunden nicht mit der gleichzeitigen Erhöhung des qualitätvollen Lehrangebots einhergingen, sondern, dass die Erhöhung der Stunden ohne qualitativ mehr zu bieten eine zusätzliche Belastung formaler Natur wurde.
Diesbezüglich wurde auch die Rolle der Dissertanten als Lehrbeauftragten diskutiert, wo festgestellt wurde, dass die Dissertanten als billige wissenschaftliche Arbeitskraft zur Entlastung des Lehrangebots ausgenutzt werden, ohne eine entsprechende Eingliederung in das System der Institute einbezogen zu werden, weder bei politischen noch bei der inhaltlichen Mitbestimmung des Institutslebens.
Einge Meldungen gab es auch zum Thema der Zukunft des Doktoratstudiums, bzw. der Zukunft der abgeschlossenen DissertantInnen, wo vor allem eine Prekarität der Arbeitsverhältnisse in der Wissenschaft beklagt wurde. Die Diskussion verlief sehr dynamisch, vor allem auf einer Ebene des internationalen Erfahrungsaustausches, jedoch wenig polemisch.

Das Atelier Privatisierung (Mäzenat, Berater, Partner aus der Privatwirtschaft)

Dieses Atelier, zu dem ich am zweiten Tag dazu gestoßen bin, behandelte das Thema des Privatisierung des Wissens und der neuen Formen der Finanzierung der wissenschaftlichen Arbeit, weg von der öffentlichen Hand und hin zu der Privatfinazierung, bzw. Sponsoring. Dieses Atelier wurde von den französischen Kollegen, von der Universität Lyon organisiert.
Beklagt wurde vor allem eine schrumpfende Autonomie der Forschung als Folge der Dominanz der privaten Finanzierung. Weiters wurde die Fokussierung des Privatkapitals auf die gewinnbringenden wissenschaftlichen Bereiche als eins der zentralen Probleme dieser Tendenz erkannt. Ein besonders eklatantes Beispiel kam von einem Kollegen aus der Universität Mexikostadt, wo wegen der Nicht-Rentabilität dieser Einrichtung eine eventuelle Schließung des Instituts für Philosophie drohte. Einer, der Hauptanliegen der globalen Aktionswoche in Mexiko waren die Proteste gegen diese geplante Schließung.
Es herrschte eine allgemeine Zustimmung, dass die Privatisierung der Wissenschaft eine der zentralen Tendenzen des Bologna-Prozesses ist, gegen welche entgegen zu steuern ist.
Die Schlussfestsstellung des Tages war, dass es wissenschaftliche Bereiche gibt, wo eine Privatisierung der Finanzierung durchaus erstrebenswert wäre, dass sie jedoch nicht überwiegen sollte und besonders nicht zu alleinigen Trend werden sollte.

Am 27. April liefen die Vorbereitungen für die Demonstrationen in Louvain und Bruxelles. Da ich an jenem Abend schon nach Wien zurückfliegen musste, habe ich an diesen Vorbereitungen nicht teilgenommen. Am frühen Nachmittag wurde von den Organisatoren eine (kurze) Generalerklärung zur Bologna-Konferenz verfasst. (http://www.louvain2009.com/LOUVAIN-COUNTER-SUMMIT-DECLARATION)