Offener Brief, Juni 2004

OFFENER BRIEF

Was ist der Universität Wien ihre Lehre wert?

ergeht an:
Herrn Rektor Georg Winckler
Herrn Vizerektor Arthur Mettinger
Frau Vizerektorin Martha Sebök
Herrn Dekan der H.u.S. Rudolf Richter
Herrn Institutsvorstand Thomas Fillitz

Wien, Juni 2004

Sehr geehrte Damen und Herren der universitären Leitungsebenen!

Mit der Implementierung des Universitätsgesetzes 2002 sind die vormals externen LektorInnen der Universität Wien zwar angestellte LektorInnen mit befristeten Arbeitsverträgen geworden. Gleichzeitig plant aber die Universität einen weiteren Schritt zu einer realen Gehaltskürzung für LektorInnen. Wir (vormals externe) LektorInnen der Universität Wien können uns eine weitere Verschlechterung nicht mehr leisten!

Wir (vormals externe) LektorInnen der Universität Wien leisten Beachtliches:

    • Wir forschen als freie WissenschaftlerInnen und vermitteln dabei gewonnene aktuellste wissenschaftliche Erkenntnisse direkt an Studierende
    • Wir stehen im Berufsleben und bieten unseren Studierenden Einblicke in die Praxis
    • Wir leisten mit unserer Arbeit einen wesentlichen Beitrag zum international guten Ruf der Universität Wien
    • Wir decken am Institut für Kultur- und Sozialanthropologie mehr als die Hälfte der Lehre ab
    • Wir decken dort neben den Lehrveranstaltungen im Bereich der Wahlpflichtlehre auch einen Teil der Einführungslehrveranstaltungen im Bereich der Pflichtlehre ab (letztere werden von einigen Hunderten Studierenden besucht).

Unsere Situation hat sich in den letzten Jahren und insbesondere seit der Implementierung des Universitätsorganisationsgesetzes 1993 kontinuierlich verschlechtert. So ortet bereits der internationale Evaluierungsbericht des Instituts für Kultur- und Sozialanthropogie aus dem Jahr 2001 "ein Verheizen von ca. 50, zumeist weiblichen, externen LektorInnen" (S. 9) sowie die "systematische Ausbeutung und Pauperisierung einer universitären underclass" (S. 13).

Zur Zeit berechnet die Universität Wien für 45 Minuten Lehre eine Arbeitsleistung von 90 Minuten Vorbereitung und 45 Minuten Nachbereitung. Dies deckt bei weitem nicht den realen Arbeitsaufwand für eine Lehrveranstaltung, die dem wissenschaftlich aktuellen Stand entspricht. Im Speziellen berücksichtigt die Universität dabei in keiner Weise den realen Zeitaufwand, der für die Betreuung der Studierenden, für Prüfungen, für Sprechstunden, für organisatorische Notwendigkeiten und für Fort- und Weiterbildung erforderlich ist. Erst dieses Gesamtpaket gewährt eine qualitätsvolle Lehre! Die meisten dieser Aufgaben müssen von den LektorInnen unentgeltlich und in ihrer Privatzeit erbracht werden. Doch dabei bleibt es nicht: Für einen Teil der Lehrveranstaltungen sollen wir nun ab dem Wintersemester 2004/05 noch weniger Vorbereitungszeit entgolten bekommen! Für Lehrende eines zweistündigen Proseminars bedeutet das konkret:

    • 600 Euro weniger pro Semester als jetzt - für die gleiche Leistung!
    • Keine Krankenversicherung!

Wir fordern:

    • Keine Verringerung unseres Gehalts - es ist schon jetzt zu niedrig!
    • Vollversicherung über die Universität!
    • Zurücknahme der geplanten Zuordnungskategorien von "besonders innovative" und "innovative" Lehre und eine Neudefinition von Qualität in der Lehre!

Wir erwarten eine konstruktive Lösung für Lehrende und Studierende und werden uns dafür weiterhin einsetzen. Wir freuen uns auf "besonders innovative" Verhandlungen!

Die (vormals externen) LektorInnen des Instituts für Kultur- und Sozialanthropologie der Universität Wien