Protestschreiben gegen die Streichung von 70% der externen Lehre am Institut für Philosophie, 7.3.2001

Offener Brief der IG Externe LektorInnen/Freie WissenschafterInnen

Protest gegen den Beschluss der Studienkommission Philosophie (Uni Wien) zur Streichung von 70 % der externen Lehraufträge

Wie die Interessensgemeinschaft Externe LektorInnen und Freie WissenschafterInnen erfahren hat, hat die Studienkommission des Instituts für Philosophie der Universität Wien in ihrer Sitzung am Freitag, den 2. März, beschlossen, für rund 70 % der durch die Fakultät zugeteilten externen Lehraufträge keine Vergabe vorzusehen, sondern die dafür vorgesehenen Mittel zur Anstellung von StudienassistentInnen umzuwidmen.

Die IG erachtet die Entscheidung und die Vorgehensweise als Affront und als direkten Angriff auf die Interessen der Externen LektorInnen, der Studierenden und der Universität überhaupt. Sie wird alle Möglichkeiten ausschöpfen, um gegen diese Vorgehensweise zu protestieren und die Aufmerksamkeit der Öffentlichkeit auf diesen Fall zu lenken.

Die IG fordert

    • die sofortige Aufhebung des Beschlusses
    • den Rücktritt der für diesen Beschluss verantwortlichen Mitglieder der Studienkommission
    • die ordnungsgemäße Vergabe der dem Institut durch die Fakultät zugewiesenen Lehrauftragskontingent.
    • den Studiendekan auf, der Entscheidung der Studienkommission nicht zu folgen, sondern die Vielfalt der Lehre sicherzustellen und - bei allfälliger Nichtaufhebung der Entscheidung - Auswahl und Vergabe der Lehraufträge selbst vorzunehmen.
    • den Rektor, die VizerektorInnen, die FunktionsträgerInnen der Fakultät für Human- und Sozialwissenschaften, wie auch der Fakultät für Geistes- und Kulturwissenschaften, sowie InstitutsvorständInnen und Vorsitzende der Studienkommissionen der Institute dieser Fakultäten auf, zur eigenmächtigen Vorgehensweise der Studienkommission des Instituts für Philosophie öffentlich Stellung zu beziehen.
    • den Vorstand des Instituts für Philosophie auf, alle Möglichkeiten zu ergreifen, die zu einer Aufhebung der Entscheidung der Studienkommission führen. Sollte der Institutsvorstand außerstande sein, die Aufhebung dieser eklatanten Fehlentscheidung herbeizuführen, fordert die IG auch diesen auf, unverzüglich zurückzutreten.

Im Detail wurden für das Studienjahr 2001/2002 nur 24 von 52 Stunden remunierter Lehraufträge bzw. 12 von 72 h nicht remunerierte Lehraufträge vergeben. Dies bedeutet, daß 54 % der remunierten Lehraufträge und 84 % der nicht-remunierten Lehraufträge für "überflüssig" erklärt worden sind und die dafür vorgesehenen Mittel eigenmächtig von der Studienkommission zur Einrichtung von StudienassistentInnenstellen zweckentfremdet werden sollen.

Die IG wendet sich entschieden gegen diese durch nichts begründete Vorgehensweise der Studienkommission und fordert die sofortige Aufhebung des Beschlusses und die Vergabe des vollen Kontingents an Lehraufträgen.

Besonders hinzuweisen ist dabei auf nachfolgende Tatsachen:

Externe Lehraufträge stellen einen unverzichtbaren Bestandteil des universitären Lehrangebots dar, und das nicht nur in quantitativer Hinsicht. Externe LektorInnen sorgen für den - wie allseits anerkannt - unerläßlichen Wissenstransfer zwischen Universität, außeruniversitärer Forschung und jenen Berufsfeldern, in denen AbsolventInnen mit wissenschaftlicher Berufsvorbildung nachgefragt werden. Für Studierende wird durch Externe LektorInnen nicht nur der Horizont beruflicher Tätigkeit jenseits der Universität aufgeschlossen, sondern allein durch die Angebote Externer Lehrender können die Universitäten eine aktuellen Standards genügende Breite an innovativen Inhalten bieten. Externe LektorInnen können für ihre Leistungen zumindest Anerkennung, faire und transparente Vergabeprodzeduren sowie ein Mindestmaß an Kontinuität der Beauftragung - wenn schon nicht auf individueller, so doch auf kollektiver Ebene - erwarten.


Die Institution der StudienassistentInnen erscheint der IG als in keiner Weise geeignet, "Nachwuchsförderung" zu betreiben. Vielmehr werden Personen in bewußter Abhängigkeit gehalten und bei skandalös niedriger Bezahlung in der Regel zu Hilfstätigkeiten herangezogen, die mit der Förderung der individuellen Forschungs- und Lehrkompetenz nichts zu tun haben. Nicht nur bieten StudienassistentInnen damit keinerlei Ersatz für die dafür geopferten Lehraufträge, sie sind auch als Mittel zur Nachwuchsförderung - wie sie etwa durch die verstärkte Durchführung von Drittmittelforschungsprojekten gegeben wäre - völlig ungeeignet. Dem Mißbrauch der Mittel, die für Lehre und Wissenstransfer zwischen universitärer und außeruniversitärer Forschung gewidmet sind, zur Finanzierung von Hilfstätigkeiten für interne ForscherInnen tritt die IG in aller Entschiedenheit entgegentreten.

Das Lehrangebot des Instituts für Philosophie stellt - gerade auch in jenen thematischen Feldern, die überwiegend von externen LektorInnen angeboten werden - insbesondere auch ein Angebot an StudentInnen anderer Studienrichtungen der Human- und Sozialwissenschaftlichen Fakultät bzw. der Geistes- und Kulturwissenschaftlichen Fakultät dar. Auch unter diesem Gesichtspunkt stellt die eigenmächtige Kürzung des externen Lehrangebots keineswegs eine "institutsinterne" Angelegenheit dar.

Die IG empfindet die Vorgehensweise der Studienkommission als völlig verantwortungslos. Die Interessen aller relevanten Akteure - der Studierenden, der externe Lehre wahrnehmenden außeruniversitären ForscherInnen als auch des sogenannten "wissenschaftlichen Nachwuchses" werden durch den Beschluß der Studienkommission massiv beeinträchtigt. Zugleich liegt die Vermutung nahe, dass die Mehrheitsentscheidung der Studienkommission durch unlautere Motive - insbesondere die Beseitigung lästiger Konkurrenz um HörerInnen und wissenschaftliche Anerkennung - wesentlich mitmotiviert war.

Die mangelnde Urteilsfähigkeit und Rücksichtslosigkeit, die sich in der Entscheidung manifestiert, bringt die IG dazu, den sofortigen Rücktritt aller Mitglieder der Studienkommission zu fordern, welche die Umwandlung der Lehraufträge in sogenannte StudienassistentInnenstellen zu verantworten haben.